Sechs Bands treten am zweiten Festivaltag auf
Schöppingen - Er hat sie alle im Griff. Zuhörer, Fotografen, Bandkollegen. In seinem knallroten Anzug saust Vasti Jackson über die Bühne, bearbeitet die Gitarre, reißt die Augen auf, zieht Grimassen. Plötzlich springt er in den Graben – und verschwindet in der Menge. Die feiert ihn ausgelassen. „Little darling, stir it up“, singt das Publikum schon bald mit, oder: „No woman no cry“. Denn Jackson hat neben Blues an diesem Tag auch ganz viel Soul und Reggae dabei.
Von Anne Alichmann
Und nicht nur er. Auch an Tag zwei beschränkt sich das Festivalprogramm in Schöppingen nicht auf die klassischen Gefilde des Blues. Mit sechs Bands geht es wieder in die Grenzregionen. Und das macht sogar den Puristen unter den Fans offenbar richtig viel Freude.
Bei den Monophonics zum Beispiel geht das Publikum ab. Die Jungs aus San Francisco spielen den Soul und Funk der Sechziger und Siebziger. Kelly Finnigan, der Sänger und Keyboarder, scheint zunächst hinter seinem Instrument am Bühnenrand zu verschwinden. Doch schnell ist klar: Dieser Mann macht die Show. Sein psychodelisch gemustertes Hemd ist schon nach dem ersten Titel schweißnass, und jede einzelne Zeile aus seinem Mund klingt, als käme sie aus tiefster Seele. Wie viel Energie kann man in einen Song stecken?
Auch Baba Jack aus Großbritannien beweisen Hingabe und Ausdauer. Die charmante Becky Tate verausgabt sich minutenlang an der Cajón, während Trevor Steger auf der Mundharmonika und der selbst gebauten Weinbox-Gitarre spielt. Die Band ist an diesem Tag die erste auf der Bühne, doch sie hat ihr Publikum schnell um den Finger gewickelt. Alles wippt, nickt mit dem Kopf, lächelt zufrieden. Vielleicht ist es auch Becky Tates gute Laune, die einfach ansteckt.
Ryan McGarvey ist stiller, interagiert weniger mit den Leuten vor der Bühne, scheint völlig in seine Musik versunken zu sein. Dem Amerikaner gelingt es aber auch so, seine Zuhörer zu fesseln: Fasziniert verfolgt die Menge, wie seine Finger über das Griffbrett der Gitarre fliegen. Darunter sind viele Fans, die ihn schon bei seinem ersten Auftritt auf dem Bluesfestival vor zwei Jahren gesehen haben – und sich ein weiteres Mal nicht entgehen lassen wollten.
Einige Überraschungen im Gepäck hat Charles Pasi. Der junge Franzose zeigt, dass es nicht viel braucht, um eine echt gute Show abzuliefern. Man gebe ihm nur eine Mundharmonika oder zwei – und staune. Mal zeigt er sich eingängig und gefühlvoll, dann wieder wild und unbändig. Dass er nur zwei Stunden geschlafen haben will, wie er dem Publikum erzählt, davon merkt man an diesem Tag nichts.
Völlig ausgeschlafen wirken auch Moreland & Arbuckle. Sie stehen als letzte Band auf der Bühne und bieten richtig guten Roots Rock. Ihr erst zwei Tage altes Album „Seven Cities“, das die Amerikaner mitgebracht haben, dürfte unter den Zuhörern einige Abnehmer gefunden haben. Als die Musiker von der Bühne gehen, haben die Zuschauer ein beseeltes Lächeln auf den Lippen. Ein schöner Abschluss eines Festivals, das vor allem wieder eins machte: wahnsinnig viel Spaß.
Quelle: Westfälische Nachrichten